Ist man absoluter Neuling im Nutzgartenbereich, versucht man vermutlich erstmal ein paar Pflanzen zu kaufen. Typischerweise sind das diese kleinen Pflänzchen, die im Frühling in fast jedem Baumarkt, jedem Wochenmarkt, größeren Blumengeschäften und z. T. sogar in Discountern an den Mann/die Frau gebracht werden. Meist sind das diverse Salate, Kohlsorten, Tomaten und Gurken/Paprika.
Soweit so gut! Der Kauf dieser vorgezogenen Pflanzen hat zweifelsohne seine Vorteile. Insbesondere, dass man Zeit „gewinnt“ und schon früh im Jahr z. B. mit Salat beginnen kann auch wenn man kein Gewächshaus oder Frühbeet sein Eigen nennt. Natürlich auch weniger Arbeit (aber das ist beim Gärtnern wohl nicht wirklich das Ziel). Auch ich kann nur schwerlichst widerstehen, wenn diese Wagen vollgepackt mit vorgezogenen Pflanzen im Discounter stehen. Es gibt aber auch entscheidende Nachteile beim Kauf vorgezogener Pflanzen. Für mich ist das vor allem die starke Sorteneinschränkung und der miese Spaßfaktor. Andere Gemüse gibt es natürlich generell nicht vorgezogen wie z. B. Möhren.
Woher bekomme ich mein Saatgut?
Will man sich nicht zu sehr einschränken, wird man sich über kurz oder lang mit Saatgutbeschaffung beschäftigen müssen. Die Kernfrage mag das lauten, welcher Händler ist der (preis)-günstigste? Bei etwas genauerer Betrachtung wird man aber bemerken, dass man sich noch eine Reihe von weiteren Fragen stellen kann, um die für sich „richtige“ Saatgutquelle zu finden. In der folgenden Tabelle sind die Kriterien zusammengetragen, die für die Auwahl der geeigneten Saatgutquelle in Erwägung gezogen werden sollten. Dabei wurde sehr subjektiv zwischen einer für das jeweilige Kriterium ungünstigen (-), neutralen (0) und günstigen (+) Quelle unterschieden. Bewusst wurde es hier vermieden unten eine Summe zu bilden, um die beste Quelle zu finden. In vielen Fällen ist diese nämlich abhängig von der Sorte, die man beschaffen möchte. Möchte man z. B. Phacelia in größeren Mengen als Gründüngung erwerben ist sicher der Saatguthändler oder je nach persönlicher Präferenz der Bio-Saatguthändler die erste Wahl. Möchte man eine seltene, kleinewüchsige Maissorte aus den Anden in seinem Garaten ausprobieren, ist sicher ein Samenarchiv vorzuziehen.
Händler | Bio-Händler | Private Tauschbörsen | Tausch Freunde/Nachbarn | Samenarchive | Eigene Vermehrung | |
Kosten je g Saat | – | – | + | + | 0 | + |
Nachhaltigkeit | – | 0 | 0 | 0 | 0 | + |
Vielfalt der Sorten | – | 0 | 0 | – | + | – |
Ertrag je Pflanze (F1) | + | 0 | – | – | – | – |
Verfügbare Mengen | + | + | – | – | – | 0 |
Verfügbarkeit pilliertes Saatgut | + | 0 | – | – | – | – |
Planbarkeit Neues Jahr | + | + | 0 | – | 0 | 0 |
Potentielle Keimfähigkeit | + | + | – | – | – | 0 |
Qulitätssicherung | + | + | – | – | 0 | + |
Spassfaktor | – | – | 0 | + | 0 | + |
Händler, Tausch, Samenarchiv oder eigene Vermehrung?
Händler und Biohändler sind Vertreiber von professionell vermehrtem Saatgut. Preislich ist das Saatgut, was man im Frühling beim Discounter erwerben kann kaum zu schlagen. Will man mit dem spitzen Bleistift rechnen, muss man aber immer die Kosten je g Saatgut vergleichen. Anders als bei der Mich, dem Kaffee, der Schokolade ist der Inhalt einer Tüte nämlich nicht genormt. Zu den Händlern zählen aber auch die hunderte von Internethändlern, die Baumärkte, Gartencenter, Blumengeschäfte usw. Hier lohnt im Übrigen auch ein Blick in Richtung Großbritanien und Frankreich. Nimmt man die sprachliche Hürde, kann man Saatgutkataloge entdecken mit Sorten, die in Deutschland üblicherweise nicht vertrieben werden. Bei den Bio(saatgut)händlern und -versendern gibt es — wie zu erwarten war — große Unterschiede. Ebenso wie bei Gemüse an sich, gibt es auch beim Saatgut die verschiedenen Siegel. Bei den Siegeln kann dabei nach meiner Erfahrung das des Demeter Verbands als das wohl strengste gelten, die anderen reihen sich dann ensprechend ein. Das ist ein eigenes Fass, das ich hier nicht weiter aufmachen möchte. Wer mag, möge für sich entscheiden, welches Saatgut mit welcher Zertifizierung er für sich verwenden möchte.
Dann gibt es den Tausch von Saatgut. Das kann über Tauschbörsen geschehen, die einfach eine Internetplattform bieten, um Tauschwillige zusammenzubringen. Es geht aber natürlich auch durch den Tausch von Saatgut mit Gleichgesinnten wie Freunden oder Nachbarn. Im Idealfall vermehren sogar beide selbst und tauschen dann dieses Saatgut.
Samenarchive haben es sich zum Ziel gesetzt seltene Gemüsesorten zu bewahren. Dabei hilft es nicht allein diese Sorten zu sammeln, sondern sie müssen auch immer wieder neu ausgesäät und vermehrt werden. Einerseits um sie in einem stetigen Prozess dem örtlichen Klima anzupassen (was bringt eine Freilandsorte aus Peru, wenn sie nicht mit den hiesigen Verhältnissen klar kommt). Andererseits hat jeder Samen nur eine begrenzte Lagerfähigkeit, die vor allem von der Pflanzenfamilie abhängig ist. Ist diese Lagerungsdauer überschritten, geht es mit der Keimfähigkeit der Samen steil bergab. Man kann diese Spanne durch Schaffung optimaler Verhältnisse (Völlig trocken, völlig dunkel, Gefrierlagerung kostanter Temperatur) sicherlich verlängern, aber das hat schnell seine Grenzen. Eine Bohne kann unter normalen Verhältnissen noch ganz entspannt nach acht Jahren keimen. Samen der Kerbelrübe zeigen hingegen schon nach zwei Jahren eine rapide Reduktion der Keimfähigkeit. Lange Rede kurzer Sinn: Samenarchive brauchen Menschen, die das Saatgut, das sie archivieren kontinuierlich aussääen und vermehren. Das kann z. B. geschehen, indem sich für jede Gemüsesorte ein sogenannter Erhalter verantwortlich fühlt, der die Sorte entsprechend ihrer Haltbarkeit wiederholt anbaut und vermehrt. Die Verbreitung der Sorte erfolgt dann entweder über das Archiv oder sogar über den Erhalter selbst. Eine andere Variante von Samenarchiven ist die, dass sie Samen für wenig Geld (und in der Regel nur in geringer Menge) verkaufen. Auf den Samentütchen ist dann jeweils vermerkt, ob eine Vermehrung im Folgejahr erforderlich ist, um den Bestand zu erhalten. Wenn ja, kann jeder der mag und sich in der Lage dazu sieht die entsprechende Sorte vermehren und dann dem Samenarchiv gegen Tausch mit anderen Samen zur Verfügung stehen. Letzteres ist sozusagen die „Schwarmvariante“, man vertraut auf die Gemeinschaft — ganz offensichtlich mit Erfolg!
Die letzte Möglichkeit stellt die eigene Vermehrung von Saatgut dar. Das setzt voraus, dass man hinreichend Platz hat. Das können je nach zu vermehrender Gemüsesorte schon man ein paar Quadratmeter sein, die nur zur Ausbildung der Samen erforderlich sind. Gemüse ernten kann man dann auf diesen reservierten Quadratmetern natürlich nichts. Und man hüte sich davor z. B. nur zwei Kohlrabis nach ihrer Überwinterung auszupflanzen und aus ihnen Saatgut zu gewinnen. Man braucht dann zwar weniger Platz, aber es führt auf Dauer zu einer starken Einschränkung der genetischen Vielfalt der Sorte, die nicht selten den Ertrag mindert und/oder die Anfälligkeit für Krankheiten erhöht. Man ist also gut beraten die in den üblichen Büchern zu Saatgutvermehrung angegebenen Mindestmengen an Saatgutträgern, also die Anzahl der Pflanzen — nicht zu unterschreiten. Hat man genug Platz und möchte tiefer in das Studium der einzelen Pflanzenfamilien einsteigen, ist die eigene Saatgutvermehrung unschlagbar.
Was bleibt?
Die unterschiedlichen Quellen zur Saatgutbeschaffung unterscheiden sich ganz erheblich. Eine eineindeutige Präferenz lässt sich aus meiner Sicht nicht ableiten. Vielmehr ist die Wahl der Quelle von der gewünschten Gemüsesorte abhängig. Auch wird man nicht sein gesamtes Saatgut jedes Jahr selbst vermehren, da man sonst keine neunen Sorten erproben kann — wie langweilig!