Josh und Frank

Reportage — Minifarm NatureCycle Karalee, Australien

Auch auf der anderen Seite der Erdkugel — in Australien — gibt es natürlich interessante Projekte zum Thema Urban Gardening, Selbstversorgung im weitesten Sinne und Biogarten. Mitte Oktober hatte ich das große Vergnügen einen Nachmittag bei Josh und Jamie in Karalee, ganz in der Nähe von Brisbane an der Ostküste verbringen zu können. Die beiden betreiben seit knapp einem Jahr eine Minifarm zum Anbau von frischem Gemüse (Babyleaf, Mesclun) für ihren kleinen Marktstand. In dieser Reportage soll es um die Art der Landbewirtschaftung und die erzeugten Produkte gehen, wie sie mehr als 10.000 km entfernt von meinem Garten in den Subtropen stattfindet. Das ganze Projekt läuft unter dem Namen „naturecycle„.

Umwandlung einer Viehwiese in Anbaufläche

Josh und Jamie haben vor etwa einem Jahr begonnen die große Wiese in ihrem Garten umzubrechen. Da die Wiese zuvor Vieh als Auslauf diente, war sie sehr stark verdichtet, der Umbruch war entsprechend aufwändig. Umgebrochen wurde zunächst mit dem Spaten und anschließend mit einer Bodenfräse. Das war nur mit dem Einsatz von Familie und Freunden möglich. Aktuell werden ca. 300 m² Fläche für den produktiven Anbau verwendet. Weitere Flächen wurden aber auch schon umgebrochen und sind derzeit mit Gründüngung bepflanzt, um die Anbaufläche weiter auszudehnen.

Andere Länder andere Sitten

Karalee flässt sich wohl als subtropisches Gebiet einordnen, also kein Winter unter 0°C, dafür sehr heiße und trockene Sommer. Der Niederschlag fällt wohl ganz gerne auch mal innerhalb weniger Stunden schlagartig vom Himmel.

Darauf muss man sich natürlich einstellen, wenn man das wenige Wasser bei der hohen Verdunstung optimal nutzen möchte. Die Beete sind daher nicht wie „bei uns“ im Gartenbau typischerweise 1,2 m breit, sondern nur etwa 0,4 m. Die Wege dazwischen sind unbefestigt und als Furche angelegt. Das Ganze sieht eher aus, wie 0,4 m breite, abgeflachte Hügelbeete.

In die Furchen wird z. T. Gründüngung ausgesät. Sie dienen aber auch als Wege bei der Pflege der Beete. Die Beete selbst werden nicht betreten, um den Boden nicht zu verdichten (mache ich bei mir auch so). Wenn es dann mal kräftig schüttet, kann die Erde natürlich nicht so schnell alles aufnehmen. Das Wasser fließt dann in die Furchen, wo es gesammelt wird. Der so zurückgehaltene Niederschlag kann dann nach und nach in die Beete infiltieren und steht dort unmittelbar den Pflanzen zur Verfügung. Pfiffig! Trotzdem kommt das Projekt „naturecycle“ auch nicht ohne künstliche Bewässerung aus. Beregnet wird hier bislang von oben, was nicht sonderlich effektiv ist, das ein wesentlicher Teil zuvor verdunstet, bevor er auf dem Boden auftrifft.

Gründügung in Down Under

Gründüngung wird nicht nur in einem Teil der Furchen ausgesäht, sondern auch auf den Beeten als Zwischenkultur. Zum Einsatz kommen nicht etwa Phacelia, Wicke, Senf, Buchweizen, Malve oder Wintergetreide wie „bei uns“, sondern eine völlig andere Kombination, die dem subtropischen Klima entspricht. Ich habe natürlich im Nachgang ein bisschen recherchiert und herausgefunden, dass das offenbar eine recht übliche Kombination in dieser Klimazone ist.

Gruenduengung japanische Hirse und Augenbohne

Gruenduengung japanische Hirse und Augenbohne

Zum Aufschluss und zur Lockerung des Bodens kommt dabei Japanhirse (Echinocloa frumentacea) zum Einsatz, kannte ich zumindst vorher nicht dieses Gewächs. Dieses Getreide aus der Familie der Süßgräser (Poaceae) braucht laut wikipedia nur 6 Wochen von der Saat bis zur Ernte bei optimalen Bedingungen, also äußerst fix. Es hat ein sehr ausgeprägtes Wurzelgeflecht und liefert oberirdisch jede Menge Grünmasse, optimal also, um Humus aufzubauen. Die Hirse wird natürlich vor der Samenreife abgemäht.

Bluetenrispe der japanischen Hirse

Bluetenrispe der japanischen Hirse

Zur Stickstofffixierung werden der Japanhirse Samen der Augenbohne (Vigna unguiculata) zugesetzt und zusammen mit ihr ausgesät. Der Name dieser Pflanze aus der Familie der Hülsenfrüchte (Fabaceae) bezieht sich auf einen dunklen Punkt — das Auge — auf dem sonst beigen Samenkorn. Die Blätter sind deutlich dunkelgrüner als bei unserer Gartenbohne und wirken wachsartig / glänzend. Die hier angebaute Sorte hatte einen kriechenden, leicht rankenden Habitus.

Augenbohne als Stickstofffixierer vorne und gemähte japanische Hirse

Augenbohne als Stickstofffixierer (vorne) und gemähte japanische Hirse (hinten)

Bodenbearbeitung

Wenn die Gründüngung lange genug gewachsen ist und noch vor der Samenreife wird sie abgemäht. Darauf kommt dann noch Kompost und der Boden wird aufgelockert mit dieser Grabgabel (siehe Bild), eine Sonderanfertigung vom örtlichen Schlosser. Die Grabgabel ist rostfrei und äußert stabil, da sie zwei verstrebte Holme aufweist. Der Hauptvorteil dieses schönen Werkzeugs liegt aber darin, dass es exakt die Breite des Beetes von 40 cm hat. Man kann also recht zügig „Meters machen“, so zügig wie man es halt in Hand- und Fußarbeit noch machen kann.

Grabkabel Sonderanfertigung aus Edelstahl in Standardbeetbreite von 40cm

Grabgabel Sonderanfertigung aus Edelstahl in Standardbeetbreite von 40cm

Kompost und Mulch

Der Abbau von Biomasse geht in Down Under aufgrund der hohen Temperaturen natürlich zügig von statten. Josh und Jamie nutzen das, indem sie auf das abgeerntete Beet Kompost und/oder abgemähte Gründüngung aus den Furchen (s.o.) aufbringen. Anschließend wird das Ganze mit schwarzer Mulchfolie abgedeckt, damit die Grünmasse nicht austrocknet. Die Würmer und die weiteren Destruenten haben so optimale Bedingungen, die Biomasse in Humus umzuwandeln. Nach wenigen Wochen, wird dann das Beet abgedeckt, glattgezogen und neu eingesät.

Beet Standardbreite 40cm mit Schnittsalat kurz nach dem Auflaufen

Beet Standardbreite 40cm mit Schnittsalat kurz nach dem Auflaufen

Was das Thema Kompost angeht, so konnte ich dort keine Unterschiede zur hiesigen Kompostwirtschaft erkennen, außer daß jeder Haufen wg. der hohen Verdunstung abgedeckt werden muss. Josh ist immer bemüht von Nachbarn alle Grünabfälle abzugreifen, um diese als Haufen aufzuschichten. Das Ganze ist durchsetzt von Würmern und wird nach und nach auf die Beete aufgebracht. Gründüngung und Kompost alleine reichen aber nicht, um die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten / zu erhöhen, deshalb wird auch Dünger aus Algen sowie Knochen- und Blutmehl verwendet.

Krankheiten und Schädlinge

Natürlich fiel auch die Diskussion auf das Thema Schädlinge. Ich habe in meinem Garten vorwiegend mit der Zwiebelfliege am Lauch und an der Küchenzwiebel, der schwarzen Blattlaus an den dicken Bohnen, den Kohlweißlingsraupen an den Kohlgewächsen und der weißen Fliege am Grünkohl zu kämpfen. An Pilzerkrankungen dann noch die Kraut- und Knollenfäule (dieses Jahr Totalausfall der Tomaten) und der echte und falsche Mehltau an (älteren) Kohl- und Gurkengewächsen. Mal mehr, mal weniger, je nach Jahr. Das Unschönste sind jedoch eindeutig die Zwiebelfliegen.

Ganz anders bei Josh. Kraut- und Knollenfäule sind hier praktisch unbekannt, kein Wunder bei der Trockenheit, da fühlt sich kein Pilz wohl. Das ist auch der Grund, warum die Blätter unten am Stiel nicht abgeschnitten werden, sie können ruhig den Boden berühren, es passiert einfach nichts! In meinem Garen unvorstellbar.

Zwiebel- und Möhrenfliegen sind auch kein Problem. Das Einzige was wohl regelmäßig auftritt ist die weiße Fliege beim Grünkohl. Das ist aus meiner Sicht auch wenig verwunderlich, weil es ihm einfach zu heiß sein dürfte und er deshalb anfällig ist. Die größte Einschränkung ist dort aber die Wasserknappheit. Ich komme in meinem Garten mal abgesehen vom Angießen bei der Saat und bei der Pflanzung komplett ohne Giessen aus. Wenn Josh mal das Giessen vergisst in langen Trockenperioden, dann wars das mit dem Salat!

Was wird angebaut?

Josh und Jamie produzieren folgende Gemüsesorten und vertreiben Sie im Dorf oder mit ihrem kleinen Marktstand in der nächstgelegenen Kleinstadt:

  • Mini Möhren (bunt)
  • Mini rote Beten
  • Mini Radieschen
  • Grünkohl als Babyleaf
  • Diverse Schnittsalate
  • Diverse Asiasalate

Tomaten, Auberginen, Gurken und Erdbeeren werden nur im sehr kleinen Maßstab angebaut und sind für den eigenen Verzehr gedacht. Konserviert oder gelagert wird generell nicht, alles kommt vom Feld direkt zum Kunden oder auf den Markt.

Rispe Mini Datteltomaten

Rispe Mini Datteltomaten

Riesen Walderdbeeren

Riesen Walderdbeeren

Möhren und rote Bete

Möhren und rote Bete werden in Reihe kulitviert. Bei den Möhren handelt es sich um eine bunte Mischung, bei den roten Beten um die klassische kugelige Form in dunkelrot. Beide Wurzeln werden in noch sehr kleinem Zustand geerntet, so dass sie sich — zart wie sie noch sind — als Rohkost oder feine gekochte Beilage eignen. Rote Beete wie „bei uns“ auswachsen zu lassen, um sie dann einzulagern macht in einem subtropischen Klima mit üppigen Ernten in jedem Monat des Jahres auch nur bedingt Sinn. Mal abgesehen davon, dass man auch nicht so leicht einen Ort finden dürfte, der ohne gesonderte Klimatisierung kühl genug wäre.

Baby rote Bete und bunte Möhren

Baby rote Bete und Baby bunte Möhren vorbereitet für den Marktstand

Grünkohl als Babyleaf

Die marktrelevanten Gemüse sind dann auf den folgenden Bilden zu sehen. Alles auf 40 cm breiten Beeten in Doppel- oder Dreifachreihe. Die zwei verschiedenen Grünkohlsorten werden als babyleaf geschnitten, gewaschen und in Ziplock Beuteln verpackt verkauft. Diese kleinen Blätter werden dann von den Kunden hauptsächlich „gewokt“ oder in grünen Smoothies verwendet. Man kann die Pflanzen mehrmals zurückschneiden und den Neuaustrieb verwenden. In der Regel werden die Blätter aber nach dem dritten Schnitt schon deutlich zäher, so dass dann neu eingesät wird.

Gruenkohl red russian Mini rote bete verschiedene schnittsalate und tomaten (v. l. n. r.)

Gruenkohl Red russian, Mini rote Bete, verschiedene Schnittsalate und Tomaten (v. l. n. r.)

Schnittgruenkohl blue curled scotch (l.) und red russian (r.)

Schnittgruenkohl blue curled Scotch (l.) und red Russian (r.)

Schnittsalate als Babyleaf

Schnittsalate werden am meisten nachgefragt. Neben Paris Island Cos, gibt es den klassischen red und green salad bowl (beides Eichblattsalate, sehr gut für den Schnitt geeignet) als Grundlage der Salatmischungen. Ergänzt wird das dann durch Ruccola. Josh und Jamie haben beide Arten im Anbau. Die milde einjährige Garten-Senfrauke (Eruca sativa), die man auch aus dem Supermarkt kennt und den schmalblättrigen Doppelsame (Diplotaxis tenuifolia) mit schon recht ausgeprägten, scharfen Senfaroma. Beliebter ist wohl eindeutig die Garten-Senfrauke, ähnlich wie „bei uns“.

Mini rote Bete Schnittsalat Paris island cos und Red and green salad bowl

Mini rote Bete, Schnittsalat Paris Island Cos und Red and Green Salad Bowl (v. l. n. r.)

Schnittsalat red und green salat bowl

Schnittsalat red und green Salad Bowl

Asiasalate als Babyleaf

Was sich offensichtlich auch gut anbauen lässt sind verschiedene Sorten von Asiasalaten. Asiasalate sind keine klassischen Salate (die würden ja zur Familie Asteraceae gehören), sondern sie gehören im weitesten Sinne zu den Brassicaceae, also zu den Kohlgewächsen. Deswegen haben Asiasalate auch einen mehr oder weniger ausgeprägten Geschmack nach Senf, wie er allen Kohlgewächsen zu eigen ist. Nicht jedermanns Sache, gerade die schärferen Sorten. Ich persönlich kann die milderen Sorten auch als Salat pur essen, die Schärferen gehen nur als Beimischung (ebenso wie der Doppelsame, den esse ich auch nicht pur).

Josh und Jamie bauen insbesondere Mizuna, Mibuna (auf dem Bild als einzelne Blätter zum Vergleich daneben gehalten) und Blattsenf an. Es sind also eher die kleinblättrigen Asiasalate. Diesen feingliedrigen Blattsenf ‚Golden Streaks‘ kannte ich persönlich noch nicht, ich werde ihn aber im kommenden Jahr auch anbauen, er schmeckt wirklich sehr appetitanregend, zart und hat eine schöne milde Schärfe.

Vergleich der Asiasalate Mizuna (h. l.), Mibuna (h. r.) und Blattsenf 'Golden Streaks' (v.)

Vergleich der Asiasalate Mizuna (h. l.), Mibuna (h. r.) und Blattsenf ‚Golden Streaks‘ (v.)

Der Mesclun Mix — auch in Deutschland wird er populärer

Durch separate Ernte und anschließendes Mischen der klassischen Babyleafsalate mit Asiasalaten und Ruccola in Kunststoffboxen, haben sie dann einen sogenannten Mesclun-Mix, der sich sehr gut verkauft. Ein eigentlich sehr alter Mischsalat aus Frankreich/Italien, der bei uns bislang nicht sehr bekannt ist, er ist aber sehr lecker (ich kannte ihn aus einem Italienurlaub). Gelegentlich findet man ihn als Industrieprodukt in Beuteln im Kühlregal. Er verbindet die milde Süße des echten Salats mit der milden Schärfe der „Salate“ aus der Kohlfamilie. Das Mischungsverhältnis muss passen, dann erhält man einen bunten, optisch sehr ansprechenden und geschmacklich sehr ausgewogenen Salat.

mesclun-mix

Mesclun Mix: Eine Mischung aus klassischen Salaten, Asia Salaten und Ruccola

Dieses Jahr hatte ich mir eine Saatgutmischung „Mesclun“ bestellt. Das Problem an der Mischung war, dass ich zwar einmal schneiden konnte, aber vor dem zweiten Schnitt war der in der Mischung enthaltene Ruccola bereits in Blüte gegangen. Das liegt einfach an den unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeiten der doch recht unterschiedlichen Pflanzen in der Mischung. So, wie es naturcycle macht, ist es sicher besser: getrennt anbauen und dann mischen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert