Von der Blüte bis zur erntereifen Samenschote des Grünkohls Mitte Juli

Vermehrung von Grünkohl — Teil 2: Ernte / Reinigung der Samen und Keimtest

Im Folgenden erläutere ich, wie man Grünkohlsamen selbst vermehrt. Dabei zeige ich die zur Saatguterzeugung ausgewählten Pflanzen von der Blüte bis zur Ausbildung der Samen. Weiterhin geht es um die Reinigung der Samen durch Sieben und Sichten und die korrekte Lagerung, damit das Saatgut möglichst lange keimfähig bleibt. Die Keimfähigkeit der Samen wird mit einem Keimtest geprüft und alle wichtigen Daten zur Erzeugung der Grünkohlsamen sind in einer Faktentabelle kondensiert zusammengefasst.

Was zuvor geschah

Der 1. Teil dieses Beitrags beschäftige sich mit der Anzucht und Auswahl der Saatgutträger des Grünkohls. Den Grünkohl hatte ich 2015 ausgesät, daraus die schönsten Pflanzen ausgelesen, sie gepflanzt und aus deren stärksten Pflanzen die Saatgutträger ausgewählt. Die Saatgutträger hatte ich dann explitzit nicht zum Verzehr abgeerntet, um sie nicht zu schwächen und hatte sie dann Anfang 2016 nach der Überwinterung auf ein anderes Beet umgesetzt. Auf diesem Beet konnten Sie dann bis im Sommer 2016 vollreife Samen ausbilden.

Verwendung von Grünkohlknospen wie Brokkoli

Wenn Grünkohl schiesst, sprich in Blüte geht, bildet er Knospen, die dem Brokkoli sehr ähnlich sind. Prinzipiell kann man diese Knospen auch ernten und ebenso wie Brokkoli zubereiten. Die Ausbeute ist allerdings sehr gering, da Grünkohl natürlich seit vielen Jahrhunderten auf die Menge an Blattmasse und nicht an Blütenknospen ausgelesen wird. In manchen alten Büchern kann man noch lesen, dass empfohlen wird die über den Winter abgeernteten Grünkohlstrünke dicht an dicht zu pflanzen und die im Frühling treibenden Knospen in der Küche zu verwenden.

Hat man jede Menge Grünkohl ist das vielleicht praktikabel. Ich pflanze i. d. R. ein Beet Grünkohl für eine gute Hauptmahlzeit für vielleicht 8 Erwachsene. Wenn wir diese dann vertilgt haben, ist unser Hunger auf Grünkohl dann auch für ein Jahr gestillt. Die Menge, die dann im Frühling an Knospen treibt, reicht nichtmal als Beilage für zwei Personen, vom hohen Aufwand der Ernte mal abgesehen. Anders als beim Brokkoli wird nämlich nicht eine „große Knospe“, sondern unendlich viele kleine Knospen gebildet. Für mich ist das der Aufwand der Umpflanzerei nicht wert (dabei werden sie deutlich dichter gepflanzt), um das Beet im Frühling freizubekommen.

Die Blüte des Grünkohls

Die Stiele, an denen die vielen kleinen Knospen sitzen, trieben noch eine ganze Weile in die Länge, bis schließlich die schönen gelben Blüten erscheinen. Das gelbe Blütenmehr ist schon aus wenigen Metern Abstand nicht mehr von einer Rapspflanze zu unterscheiden und zieht viele Bienen und Fluginsekten zur Bestäubung an. Kohl ist schließlich ein strenger Fremdbestäuber. Die vier Blütenblätter des Grünkohls sind kreuzförmig angeordnet. Das ist auch ein Hinweis darauf, dass er zur Familie der Brassicaceae (Kreuzblütler) zählt, die — egal ob mit gelben oder oftmals auch weißen Blütenblättern — ebendiese kreuzweise Anordnung der Blütenblätter aufweisen.

Grünkohl in voller Blüte Anfang Mai

Grünkohl in voller Blüte Anfang Mai

Entwicklung und Reife der Samenschoten

Ab Juni gingen dann die Blüten allmählich in grüne Samenschoten über. Spätestens jetzt ist ein Stab zum Abstützen der weit ausladenenden Samenstände je Pflanze zwingend erforderlich, will man ein Abknicken beim nächsten kräftigeren Wind oder Sommerregen verhindern.

Reifende Samenschoten des Grünkohls Mitte Juni

Reifende Samenschoten des Grünkohls Mitte Juni

Mitte Juli gingen die zuerst grünen Samenschoten dann in eine gelbliche Farbe über. Jetzt waren auch schon deutlich die einzelnen Samen als Verdickungen in der Schote erkennbar. Die meisten der Schoten haben natürlich einen ähnlichen Reifezustand. Dennoch gab es bis zur Ernte der Samenschoten auch noch einzelne Blüten, die an vielen der Pflanzen von unten her nachtrieben. Wie auf dem Bild erkennbar, ist es deshalb möglich, alle Entwicklungsstadien von der Knospe, über die Blüte bis zur Samenschote im erntereifen Zustand an den Pflanzen vorzufinden.

Abreife der Samenschoten des Grünkohls Mitte Juli

Abreife der Samenschoten des Grünkohls Mitte Juli

Von der Blüte bis zur erntereifen Samenschote des Grünkohls Mitte Juli

Von der Knospe über die Blüte bis zur erntereifen Samenschote des Grünkohls Mitte Juli

Haupttriebe bringen besseres Saatgut

Die Samenschoten, die sich am Haupttrieb der Saatgutträger gebildet haben sind deutlich dicker, länger und vitaler. Das liegt daran, dass der Haupttrieb aufgrund seiner Lage (am weitesten „oben“), die meiste Wuchskraft erfährt. Das weiß jeder, der sich mal mit Obstbäumen und deren Schnitte beschäftigt hat. In der Literatur findet man deshalb auch immer wieder Hinweise darauf, dass das Saatgut aus dem Haupttrieb eine bessere Keimrate aufweist als das der Nebentriebe. Ich habe mich dennoch entschlossen nicht nur die Haupttriebe für die Saatgutgewinnung zu verwenden, da die Menge an Saatgut sonst recht gering gewesen wäre, gibt es doch deutlich weniger Haupttriebe (1 je Pflanze) als Nebentriebe (> 10 je Pflanze). Nur diejenigen Nebentriebe, die sehr mikrig waren, habe ich nicht für die Saatgutgewinnung verwendet.

Samenschoten des Haupttriebs (l.) und Samenschoten eines Nebentriebs (r.) des Grünkohls

Samenschoten des Haupttriebs (l.) und Samenschoten eines Nebentriebs (r.) des Grünkohls

Vorgehen bei der Ernte und Verwertung der Strünke

Zur Ernte habe ich die Haupt- und Seitentriebe von den Pflanzen geschnitten und in eine offene Kiste in der Garage zum Nachtrocknen gelegt. Die verbliebenen Strünke habe ich aus der Erde gezogen. Die Strünke waren innen praktisch hohl, leicht wie Pappe und waren z. T. schon angefault im Bereich der Wurzel. Es war sehr anschaulich zu sehen, dass es sich bei Grünkohl um eine zweijährige Pflanze handelt, die nach der Bildung der Samen im zweiten Jahr wirklich alles an Vitalität verbraucht hat.

Die Strünke sind nur sehr schwer zu kompostieren, das sie überaus zäh und holzig sind. Zudem besteht bei Kohl imme die Gefahr, dass die Kohlhernie — ausgelöst durch den sehr persistenten Einzeller Plasmodiophora Brassicae — mit alten Pflanzenteilen übertragen wird (bodenbürtige Krankheit). Ich habe Kohlstrünke schonmal mit einem Hammer faserig geschlagen und konnte sie dann auch kompostieren. Inzwischen werfe ich die Strünke aber einfach in die Biotonne. Sofern erlaubt, kann man die Strünke natürlich auch z. B. in einem alten gelochten Fass verbrennen. Die Asche ist dann wieder ein wertvoller Kalilieferant für die Folgekulturen und auch sicher frei vom gefürchteten Einzeller.

Abgeernteter Saatgutträger des Grünkohls

Abgeernteter Saatgutträger des Grünkohls

Drusch der Samenstände

Die getrockneten Samenträger des Grünkohls habe ich bei nächster Gelegenheit „gedroschen“. Entscheidend dabei ist, dass die Schoten wirklich völlig trocken sind, sonst gelingt der Drusch nicht. Das kann man ganz einfach prüfen, indem man ein paar Samenschoten zwischen den Fingern reibt. Dabei müssen sie deutlich rascheln und aufspringen. Zudem kann man sie auch leicht auseinanderbrechen, sie zerfallen dann in zwei Längshälften. Wenn noch zuviel Feuchtigkeit in Ihnen enthalten ist, biegen sie sich beim Versuch sie zu brechen oder brechen zögerlich und dann praktisch geräuschlos.

Bei der relativ geringen Menge an Saatgut, die ich erzeugt habe, macht es keinen Sinn großartige Dreschwerkzeuge (Dreschflegel oder gar Maschinen) aufzufahren. Ich habe die ganzen Samenstände in der Kiste einfach mit den Händen „durchgewalgt“, so dass alle Schoten aufgesprungen sind. Eine Alternative wäre es gewesen, die Schoten mit sauberen Schuhen in der Kiste zu „bearbeiten“.

Getrocknete Samentraeger des Gruenkohls vor dem Drusch

Getrocknete Samentraeger des Gruenkohls vor dem Drusch

Reinigung des Saatguts durch Sieben und Sichten

Wenn man genug gewalgt, getreten, geprügelt oder gedroschen (oder wie auch immer) und die trockenen Zweige und leeren Schoten aus der Bütt entnommen hat, bleiben drei Fraktionen als Bodensatz übrig (siehe Bild). Oben noch die letzten verbliebenen leeren Schoten, in der Mitte die ausgedroschenen Samen und unten Staub vom Zerbröseln der Schoten. Haben möchte man natürlich nur die Samen. Um diese von den Fremdstoffen zu reinigen nimmt man zuerst ein Küchensieb und siebt den gesamten Inhalt der Bütt durch. Dadurch kann man schonmal die sehr feinen staubartigen Bestandteile abtrennen.

Im folgenden Schritt gibt man das, was im Sieb verblieben ist ein eine flache Schale, bewegt diese und pustet in einem stetigen Strom und in einem flachen Winkel über die Schale hinweg. Dieser Vorgang nennt sich „Sichten“. Dadurch werden die leichten Bestandteile weggepustet und — sofern man sorgfältig arbeitet und ein wenig Ausdauer beweist — bleibt nur noch das selbst gewonnene Saatgut übrig (siehe Bild). Früher hat man das auch im großen Stil mit sogennanten Worfeln (ein historisches landwirtschaftliches Arbeitsgerät) z. B. bei der Trennung des Getreides von der Spreu und den Spelzen durchgeführt. Da dazu die Puste nicht reicht, hat man das einfach an windigen Tagen im Freien gemacht. Das gesamte Gemisch wurde nach oben geworfen, der Wind trug die leichten Bestandteile zur Seite und mit der Worfel fing man das Korn wieder auf.

Grünkohlsamen während der Reinigung mit Spreu und Hülsen

Grünkohlsamen während der Reinigung mit Staub und Hülsen

Trocknung und Lagerung der Samen

Den Grünkohlsamen sollte man jetzt noch ein paar Wochen an einen sehr trockenen Ort mit gleichmäßiger, recht hoher Temperatur offen lagern, um auch den letzten Rest von Feuchte auszutreiben, um die Haltbarkeit bei der sich anschließenden Lagerung zu verbessern. Ich gebe das Saatgut dann in ein luftdicht schließendes Schraubdeckelglas und füge ein paar Silica Gel Packs hinzu, um nochmal das letzte Quäntchen an Feuchte zu entziehen. Möchte man das Maximum an Lagerfähigkeit herauskitzeln, könnte man diese Deckelgläser jetzt noch einfrieren. Für meinen Fall halte ich das allerdings für übertrieben.

Gruenkohlsamen grob gereinigt

Gruenkohlsamen grob gereinigt

Keimtest zur Bewertung der Keimrate

Nachdem ich Saatgut erzeugt habe, mache ich eigentlich immer einen Keimtest unter definierten Bedingungen, um die Qualität zu testen. Es kann immer sein, dass etwas schiefgelaufen ist (taube Samen, Pilzinfektion etc.) und die Keimrate widererwarten gering ist. Das würde dann dazu führen, dass man mehr Saatgut je Fläche verwenden muss, um die gewünschte Bestandsdichte zu erreichen oder — wenn der Keimtest ganz mies verläuft — muss man das Saatgut komplett verwerfen, weil es nicht hinreichend keimfähig ist. Ich persönlich würde schon bei einer Keimfähigkeit von unter 60 % das Ganze wegwerfen, es sei denn man möchte diese Sorte erhalten und es handelt sich um die einzige Charge an Saatgut, die man besitzt. In diesem Fall ist jede Keimrate > 0 % willkommen.

Zum Test der Keimrate nehme ich ein Küchenkrepp und falte es so, dass es auf einen kleinen Teller passt. Dieses feuchte ich mit lauwarmen Wasser an und gebe 30 Samen hinzu, ohne eine Auswahl nach Größe, Form oder Farbe des Saatguts zu treffen. Also einfach aus dem Glas eine kleine Menge mit einem Löffel entnehmen und die Samen dann zu 5 x 6 auf dem Papier anordnen. Das gleichmäßige, schachbrettartige Anordnen erleichtert das Auszählen der gekeimten Samen ungemein. 30 Samen deshalb, weil es sich um eine einigermaßen repräsentative, belastbare Anzahl handelt, mehr geht immer, viel weniger sollte es nicht sein.

Die Samen decke ich mit einem zweiten angefeuchteten Küchenkrepp ab und es kommt ein zweiter Teller gleicher Größe darüber, um die Samen vorm Austrocknen zu schützen. Das Ganze kommt an einen Ort mit gleichmäßig hoher Temperatur, um optimale Bedingungen für die Keimung zu schaffen. Bei uns ist es das Küchenregal mit konstant 22 – 23 °C. Natürlich kann man so nur die Keimung unter optimalen Bedingungen bestimmen. Die reale Keimrate im Beet (reale Wetterbedingungen, kein fast steriles Medium etc.) dürfte wohl immer darunter liegen. Es ermöglicht aber eine Einordnung und einen Vergleich der Qualität des Saatguts. Nach ein paar Tagen — im Falle des Kohls, der sehr schnell keimt, reichen schon 4 d — wird dann ausgezählt. Der Grünkohl erreichte eine Keimrate von 97% (siehe Bild und Faktentabelle unten).

Keimtest Gruenkohlsaatgut Keimungsrate 97%

Keimtest Gruenkohlsamen: Keimungsrate 97% (n=29/30)

Faktentabelle: Vermehrung von Saatgut des Grünkohls

Die nennen wir sie mal „technischen Daten“ der Samenvermehrung finden sich in der folgenden Faktentabelle.

Sorte ‚Eschweiler Grabeland‘
Aussaat 06/2015
Pflanzung 09/2015
Pflanzung der ausgewählten Saatgutträger 03/2016
Ernte des Saatguts 07/2016
Anzahl der ausgewählten Pflanzen (Saatgutträger) 10 Stck.
Trockengewicht des erzeugten Saatguts 536 g
Ermittelte Keimrate (09/2016, 4d, 23°C, 29/30 Stck.) 97 %
Haltbarkeit gem. Heistinger et al. (2010) > 5 Jahre
Tausenkorngewicht (TKG) ~ 3 g
Erzeugtes Saatgut ~ 18.000 Samen/Pflanze

Fazit

Grünkohl ist wohl die Kohlsorte, die sich am unkompliziertesten vermehren lässt, da sie draußen überwintern kann und so nicht zu Fäulnis der Saatgutträger neigt, wie z. B. Blumenkohl als anderes Extrem. Dennoch dauert es natürlich seine Zeit, bis man bei einer zweijährigen Pflanze das selbst erzeugte, gereinigte und auf Keimfähigkeit geprüfte Saatgut vor sich liegen hat (06/2015 — 09/2016). Die Pflanzen belohnen das aber mit sehr attraktiven Blüten, die von Insekten umschwärmt werden. Mit knapp 20.000 Samen je Saatgutträger kann der Grünkohl als sehr ertragreich hinsichtlich der Erzeugung von Saatgut bezeichnet werden. Man hüte sich aber daraus zu schließen, das man weniger als 10 Saatgutträger bräuchte. Ohne diese absolute Mindestmenge, wäre die genetische Vielfalt des erzeugten Saatguts zu gering. Apropos: „Braucht jmd. Grünkohlsamen (Email an mich)“? 😉

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